Pressemitteilungen

Pressemitteilung des Bündnisses gegen das Cyber Valley zu weiteren Prozessen gegen die Kritiker*innen von Amazon und Cyber Valley (10.3.2021)

 

Einsprüche wurden zurückgezogen – Strafbefehle damit rechtskräftig – Bündnis will Diskussion um Innovationspark beleben

 

Bereits am 12. Dezember 2020 wurde ein Kritiker des Cyber Valleys auf eine Anzeige von Boris Palmer hin zu 50 Tagessätzen wegen Hausfriedensbruchs verurteilt, weil er in einer Gemeinderatssitzung Auszüge aus dem Thesenpapier „Künstliche Intelligenz in den Landstreitkräften“ verlesen hatte. Am kommenden Donnerstag, den 11.3.2021, sollten zwei weitere Aktivist*innen in Tübingen vor Gericht stehen, die ebenfalls gegen den Verkauf eines kommunalen Grundstücks für den Bau eines Amazon-Forschungszentrums demonstriert hatten.
Das Bündnis gegen das Cyber Valley ist weiterhin empört, wie Stadt und Oberbürgermeister die Kritiker*innen von Amazon und Cyber Valley mit Repression überschütten, obwohl diese wesentlich dazu beigetragen haben, eine kritische Diskussion über Technologie, die Stadtentwicklung und die Kommerzialisierung der Wissenschaft anzustoßen. Dies ist umso verlogener, als sich die Stadt in ihrer Bewerbung zum Standort des geplanten „KI Innovationsparks Baden-Württemberg“ damit rühmt, dass Tübingen „[m]it der aufmerksamen und kritischen Haltung der Gesellschaft vor Ort“ über ein „Alleinstellungsmerkmal bei der KI-Forschung im weltweiten Wettbewerb“ verfüge. „Die von Aktivistinnen angestoßene Kritik einerseits als Argument für den weiteren Ausbau der KI-Forschung in Tübingen zu nennen und die Kritiker*innen zugleich vor Gericht zu ziehen, zeigt vielmehr die völlige ethische Enthemmung der Beteiligten“, so Leo vom Bündnis gegen das Cyber Valley.

Allerdings wird es nicht wie vorgesehen am 11.3. zum Prozess und einer begleitenden Soli-Kundgebung kommen, weil die Angeklagten ihren Widerspruch gegen die Strafbefehle über jeweils fünfzig Tagessätze zurückgezogen haben, welche damit rechtskräftig werden. Eine der Angeklagten begründete das damit, dass man sich wieder verstärkt inhaltlich und nicht juristisch mit dem Cyber Valley und der Bewerbung um den „KI-Innovationspark“ auseinandersetzen wolle: „Wieder wurden – inmitten der Pandemie – dreistellige Millionensummen für den Ausbau der KI-Forschung in Tübingen und Baden-Württemberg in Aussicht gestellt. Die hierfür in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie der CBRE GmbH träumt dabei schon von ‚regulatorischen Freiräumen zur Erprobung neuer KI-Technologien‘, ‚Testfelder mit integrierter Sensorik, Flugfelder für Drohnen‘ usw. Auch hier versucht die Stadtverwaltung wieder, eine Diskussion, ob das wünschenswert und von der breiten Bevölkerung so gewollt ist, zu unterbinden“. Der Beschluss über die Bewerbung Tübingens wurde mitten im Lockdown im Januar 2021 unter großem Zeitdruck im Gemeinderat durchgewinkt – u.a. weil die dafür vorgesehenen Gelder zum Teil aus dem Corona-Nachtragshaushalt des Landes stammen sollen.

„Bei der Verhandlung gegen den ersten angeklagten Aktivisten im Dezember 2020 erschienen spontan etwa 80 Menschen, um ihre Solidarität mit uns auszudrücken. Anstatt nun wieder den vom Gericht vorgegebenen Termin zum Anlass einer Kundgebung zu machen, werden wir eine der kommenden Gemeinderatssitzungen nutzen, um auf dem Marktplatz die aktuellen Entwicklungen im Cyber Valley und den KI-Innovationspark zum Thema zu machen“, so eine der Angeklagten. Denn die vergangenen 16 Monate seit der Entscheidung über Amazon hätten sehr deutlich gezeigt, dass wir die Diskussionen über Technologie und Stadtentwicklung nicht dem Gemeinderat und auch nicht dem von der Landesregierung eingesetzten ‚Ethikbeirat‘ des Cyber Valleys überlassen dürfen, so die Aktivistin weiter. Mittlerweile ließe sich auch deutlicher herausarbeiten, wie die öffentliche Förderung der KI-Forschung v.a. zur Generierung privater Profite genutzt werde.


Stellungnahme des Bündnisses gegen das Cyber Valley zum Urteil des Tübinger Amtsgerichts wegen angeblichem Hausfriedensbruch im Gemeinderat (3.12.2020)

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PM vom 12.6.2020: Gesichtserkennung auch im Cyber Valley beenden

Nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd und den dadurch induzierten Massenprotesten gegen rassistische Diskriminierung hat der US-amerikanische Technologiegigant IBM angekündigt, nicht nur aus dem Geschäft mit Gesichtserkennung auszusteigen, sondern auch jegliche Forschung hierzu einzustellen. Als Grund nennt das Unternehmen die damit einhergehenden Möglichkeiten zur Massenüberwachung und die dabei immer wieder auftretende Diskriminierung von Minderheiten. Dies berichten zahlreiche US-amerikanische Medien übereinstimmend und hierzulande u.a. das Redaktionsnetzwerk Deutschland (https://www.rnd.de/digital/usa-tod-von-george-floyd-ibm-beendet-geschaft-mit-gesichtserkennung-NP4WJG6ZB5DT3B6JPSEG5EPTQA.html). Auch Amazon hat nun offenbar vorübergehend die Anwendung seiner Gesichtserkennungs-Software ‚ReKognition‘ durch die US-Polizei „untersagt“ (https://www.tagesschau.de/ausland/amazon-gesichtserkennung-101.html).

Das Bündnis gegen das Cyber Valley begrüßt den überraschenden Schritt von IBM und fordert, dass auch in den am Cyber Valley beteiligten Institutionen die Forschung zur Gesichtserkennung eingestellt wird. Die Landesregierung Baden-Württemberg als Impulsgeber für die Forschungskooperation Cyber Valley führt aktuell einen Pilotversuch zur ‚intelligenten Videoüberwachung‘ am Mannheimer Hauptbahnhof durch. Amazon als einer der wichtigsten Industriepartner des Cyber Valleys gilt als Pionier und treibende Kraft der automatischen Gesichtserkennung und baut aktuell in Tübingen ein Entwicklungszentrum für maschinelles Lernen. In unmittelbarer Nähe hierzu soll in Kürze ein weiteres solches Entwicklungszentrum des Unternehmens Bosch entstehen. Auch Bosch ist in der Sparte Gebäudetechnik mit der Übernahme von Anteilen des israelischen Unternehmens ‚Anyvision‘ 2018 groß in das Geschäft mit der Gesichtserkennung eingestiegen. An der Universität Tübingen werden u.a. am Lehrstuhl für Kognitive Systeme im Fachbereich Informatik Systeme zur Gesichtserkennung optimiert (z.B. http://www.cogsys.cs.uni-tuebingen.de/forschung/terminiert/face_tracking/index.html). Dabei kommen häufig sog. ‚Künstliche Neuronale Netzwerke‘ zum Einsatz, wie sie am Cyber Valley u.a. mit Mitteln der US-Geheimdienste weiterentwickelt werden (s. http://www.imi-online.de/2020/05/15/cyber-valley-mpi-und-us-geheimdienste/).

„Das Bündnis gegen das Cyber Valley hat wiederholt darauf hingewiesen, dass hier insbesondere Forschung zum maschinellen Sehen und zur Situationserkennung betrieben wird und dass damit auch neue Überwachungstechnologien entwickelt werden, die zur Diskriminierung von Minderheiten neigen und u.a. bei Militär, Grenzschutz und Polizeien zur Anwendung kommen“, so Leo vom Bündnis gegen das Cyber Valley. „Während immer wieder auf die vermeintlichen Europäischen Werte verwiesen wurde, müssen wir feststellen, dass zumindest bei der Gesichtserkennung die ethische Debatte in den USA viel weiter ist. Dort haben schon mehrere Großkonzerne darauf hingewiesen, dass man der Entwicklung und Anwendung solcher Technologien Grenzen setzen müsse“. Die jetzige Entscheidung von IBM solle man sich im Cyber Valley zum Vorbild nehmen, anstatt munter draufloszuforschen und jede Verantwortung für den Einsatz solcher Technologien von sich zu weisen. Außerdem sei der Ausstieg von IBM aus der Gesichtserkennung ein klares Indiz dafür, dass eine diskriminierungsfreie Anwendung solcher Überwachungs- und Kategorisierungssysteme schlicht nicht realisierbar ist.

Kontakt: info [ at ] nocybervalley.de


PM vom 23.04.2020

Das Bündnis gegen das Cyber Valley kritisiert die Finanzierung der Cyber-Valley-Aktivitäten durch die IARPA, die Forschungsagentur der US-Geheimdienste.

„Es steht außer Zweifel, dass Technologien aus den Bereichen Künstliche Intelligenz und Maschinellem Lernen Regierungen und Unternehmen ganz neue Möglichkeiten der Überwachung liefern“ so Leo vom Bündnis gegen das Cyber Valley. Außerdem rüsten weltweit die Armeen mit solchen Technologien auf. Eine aktuelle ARTE-Dokumentation belegt: ‚Dank künstlicher Intelligenz haben staatliche Behörden so viel Macht wie nie zuvor‘. Sie warnt vor einem ‚digitalen Totalitarismus‘ (https://www.arte.tv/de/videos/083310-000-A/ueberwacht-sieben-milliarden-im-visier/). „Treibkräfte der ausufernden Überwachung sind neben Unternehmen wie Amazon v.a. auch Militär- und Geheimdienstbehörden“, so Leo weiter.

Die gemeinsame Forschungsbehörde der US-Geheimdienste (IARPA) fördert die Arbeitsgruppe ‚Neuronal Intelligence‘ des Cyber Valley. Das entsprechende Forschungsprojekt (NINAI) nennt darüber hinaus zwei StartUp-Unternehmen als Partner, an denen ein Professor der Universität Tübingen beteiligt ist. Eines dieser Unternehmen hat seinen Sitz am ‚Tübingen AI Center‘ im Technologiepark, in dem sonst v.a. Lehrstühle der Universität untergebracht sind. Mitarbeiter der Unternehmen werden auch als Beteiligte des IARPA-Projekts NINAI genannt. Die Forschungsgruppe ‚Neuronal Intelligence‘, die ebenfalls im ‚Tübingen AI Center‘ untergebracht ist, wird neben der IARPA auch von Amazon, der Carl Zeiss Stiftung und aus dem Cyber Valley Research Fund finanziert.

„Wer seine Forschung von den Geheimdiensten finanzieren lässt, kann hinterher nicht behaupten, für deren vermeintlichen ‚Missbrauch‘ in Form neuer Überwachungstechnologien nicht verantwortlich zu sein“, so Leo vom Bündnis gegen das Cyber Valley.

In der Diskussion über das Cyber Valley wurde von den Beteiligten und Befürworter*innen der Forschungskooperation wieder und wieder behauptet, dass dort keine militärische Forschung betrieben würde und man sich gegen Überwachung einsetze. Bis heute behauptet die Universität Tübingen in ihren FAQs zum Cyber Valley, dass „die Forschung in der Max-Planck-Gesellschaft und den Universitäten dem Wohl der Menschheit und dem Schutz der Umwelt verpflichtet“ sei. Die IARPA ging aus dem „Büro für disruptive Technologien“ des US-Militärgeheimdienstes NSA hervor und wurde nach dem Vorbild der DARPA, der Forschungsagentur des Pentagon, aufgebaut.

„Wir sehen mit der IARPA-Finanzierung unsere Befürchtungen vor einer ‚Transformation in einen Rüstungsstandort‘ und der Entwicklung demokratiegefährdender Technologien bestätigt“, so Leo vom Bündnis gegen das Cyber Valley. „Und wir haben von Anfang an vermutet, dass es sich beim sog. ‚öffentlichen Beirat‘, dem ‚Public Advisory Board‘ des Cyber Valley, um ein Feigenblatt handelt“. Das Bündnis gegen das Cyber Valley hält es jedenfalls für erklärungsbedürftig, dass dieser Beirat, der die Forschung kritisch begleiten soll, nicht nur keine Kritik an der IARPA-Forschung hat, sondern die Öffentlichkeit auch nicht darauf hingewiesen hat. „Offensichtlich ist weiter unabhängige Recherche und öffentlicher Druck nötig, um der Forschung im Cyber Valley Grenzen zu setzen“, so Leo: „Wenn die Kooperation mit den Geheimdiensten keine rote Linie darstellt, wo sollten dann diese roten Linien verlaufen, um verantwortungsvolle Forschung zu garantieren?“

Kontakt: info [ at ] nocybervalley.de
Hintergründe zur IARPA-Finanzierung: https://www.imi-online.de/2020/04/21/cyber-valley-forschungsgruppe-von-us-geheimdiensten-finanziert/

PS: In der oben verlinkten Arte-Dokumentation wird das israelische StartUp „Anyvision“ vorgestellt, das weltweit führend bei der Objekt- und Gesichtserkennung sei. Mitte 2018 ist Bosch mit seinem Geschäftsbereich „Building Technologies“ in die Firma eingestiegen und hält nun neun Prozent der Anteile. Bosch ist ebenfalls im „Tübingen AI Center präsent“ und plant in unmittelbarer Nachbarschaft den Bau eines eigenen „KI-Campus“.

 


PM vom 14.11.2019

Pressemitteilung zur Pressemitteilung des  Rektorats der Eberhard Karls Universität vom 12.11.2019 betreffs der heutigen Abstimmung im Gemeinderat zur Ansiedlung von Amazon im Cyber Valley (abrufbar unter
https://uni-tuebingen.de/universitaet/aktuelles-und-publikationen/pressemitteilungen/newsfullview-pressemitteilungen/article/entscheidung-fuer-den-forschungsstandort-notwendig/)

Das Rektorat spricht nicht für die Universität!

Mit einer Pressemitteilung übt das Rektorat der Eberhard Karls Universität Druck auf den Gemeinderat in der Entscheidung um die Ansiedlung von Amazon aus. Das Bündnis gegen das Cyber Valley, der Arbeitskreis Kritische Vortragsreihe Cyber Valley sowie die Ernst-Bloch-Uni-Hochschulgruppe wehren sich gegen den Versuch, die Universität so zu instrumentalisieren. 

Bemerkenswert an der Pressemitteilung der Universitätsleitung ist zunächst die Formulierung, dass „die Universität an alle politisch Verantwortlichen in der Stadt Tübingen appelliert“. Für alle weiteren Zitate wird Rektor Engler als Quelle genannt. Steht es dem Rektor einer Universität zu, in solch kontroverser Angelegenheit für die Universität als Ganzes zu sprechen?

Denn die Kernaussage des als Pressemitteilung getarnten Appells ist steil: Nur mit Amazon – und zwar an genau diesem Ort und zu diesen Bedingungen – sei eine ethisch reflektierte KI-Forschung möglich. Deshalb seien „sachfremde Erwägungen“ z.B hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und Steuervermeidung des Konzerns zugunsten der – offenbar wissenschaftsimmanenten – Strahlkraft des Amazon-Konzerns nicht zu berücksichtigen. Werde Amazon der Bau eines Entwicklungszentrums in Tübingen „verwehrt“, „wäre dies ein verheerendes Signal an KI-Forscherinnen und -Forscher weit über Deutschland hinaus.“ 

„Ähnlich wie der Rektor wünsche ich mir auch, dass an Künstlicher Intelligenz in einem Umfeld geforscht wird, das sich zur gesellschaftlichen Verantwortung von KI-Forschung bekennt. Die Zusammenarbeit mit Amazon steht dem jedoch diametral entgegen. Gesellschaftliche Verantwortung heißt hier eben auch, nicht mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die ihre Mitarbeiter*innen ausbeuten und den Einzelhandel systematisch verdrängen.“, meint Jacob, aktiv im freien zusammenschluss von student*innenschaften.

Dass sich eine Universitätsleitung im Namen „der Universität“ an den Gemeinderat wendet und dabei z.B. das Zahlen von Steuern als „sachfremde Erwägung“ klassifiziert, während sie die Signalwirkung des Verkaufs städtischer Flächen an Amazon an eine internationale Forscher-Community offenbar als ureigenes Interesse des Gemeinderates ansieht, ist bizarr. „Noch vor zwei Wochen stand das Rektorat mit uns auf der Straße, um für eine ausreichende Finanzierung der Universitäten aus Landesmitteln zu demonstrieren. Nun so unverhohlen für die Ansiedlung eines Steuervermeiders zu werben, zeugt von Doppelmoral.“ so Hanna, die in der Ernst-Bloch-Uni-Hochschulgruppe aktiv ist.

Grob irreführend ist auch die Formulierung, der Bau eines Entwicklungszentrums würde „verwehrt“ werden. „Amazon könnte irgendwo im Cyber Valley – zwischen Tübingen und Vaihingen – auf dem privaten Immobilienmarkt ein Gebäude anmieten, will sein Entwicklungszentrum aber genau dort, zwischen den Max-Planck-Instituten, den Cyber Valley-Gebäuden und dem Startup-Campus bauen.“, so Hanna weiter. Das koste auch nur eine halbe Millionen Euro. „Es geht hier nicht darum, irgendwem irgendetwas zu verbieten. Es geht um die Frage, ob man Amazon devot den roten Teppich ausrollen will oder nicht.“

„Es ist für mich völlig unklar, woher der Zwang kommt, unter allen Umständen zum Standort Nummer eins aufsteigen zu müssen. Die Region zählt zu den wohlhabendsten in Europa. Brauchen wir hier wirklich noch mehr Wachstum und Ausverkauf? Das ist nicht nur ökologisch und sozial unter keinen Umständen tragbar, sondern nimmt auch anderen Regionen in der Welt die Möglichkeit, sich wirtschaftlich zu entwickeln. Nachdem nicht nur der Technologiepark, sondern nun auch der Horemer schon fast vollständig verkauft bzw. optioniert sind, stellt sich die Frage, wo all die weiteren Unternehmen und Institute noch Platz finden könnten, die nun durch die Strahlkraft Amazons angelockt werden sollen. Was, wenn nach ZF, Bosch und Amazon noch weitere Cyber Valley Partner hier bauen wollen? Das ist doch purer Größenwahn – eine andere Erklärung erschließt sich mir nicht! In meinem Namen spricht das Rektorat ganz sicher nicht!“ meint Maxi, Student an der Uni Tübingen und aktiv im Bündnis gegen das Cyber Valley.

Was ganz klar gesagt werden muss: Das Rektorat spricht hier nicht für die Universität. Denn ohne Studierende – die sich schon bald keinen Wohnraum mehr leisten könnten –, ohne einen starken Mittelbau, ohne Mitarbeiter*innen, ohne Professor*innen, die in Forschung und Lehre aktiv sind, kann eine freie und emanzipatorische Universität nicht gedacht werden. Lukas vom Arbeitskreis Kritische Vortragsreihe Cyber Valley: „Das Rektorat hat offenbar ein Interesse an einem Cyber Valley, das von übermächtigen, ausbeuterischen Konzernen abhängig ist. Diesem ‚Leuchtturm‘ wird alles untergeordnet – ob es danach noch eine funktionierende Stadt und Universität gibt und wie die Interessen des Rektorats im Widerspruch zu denen der anderen Uni-Angehörigen stehen, ist nachrangig.“

Für Rückfragen steht Ihnen gerne Jacob Bühler zur Verfügung.
(E-Mail: jacob[ at ]blochuni.org)

 


PM vom 28.8.2019

 

Public Advisory Board: Das Cyber Valley entzieht sich weiterhin der öffentlichen Kontrolle

Der Arbeitskreis Kritische Vortragsreihe Cyber Valley und das Bündnis gegen das Cyber Valley lehnen das Public Advisory Board des Cyber Valley in der vorgestellten Form ab. Die Einrichtung eines Gremiums zur Kontrolle der Forschungsvorhaben sei grundsätzlich wünschenswert. Kritisiert werden dagegen die weiterhin intransparenten Vorgänge rund um das Cyber Valley, auch in Bezug auf das Public Advisory Board. Zudem sei ein Gremium nach den vorliegenden Entwürfen nicht in der Lage, die Forschungskooperation effektiv zu kontrollieren.

So führt Lukas Weber vom AK Kritische Vortragsreihe aus: „Wir begrüßen ausdrücklich die Einrichtung des Public Advisory Boards, zeigt dies doch, dass der Protest nicht ungehört bleibt. Ein Gremium jedoch, das weder Stimm- noch Vetorecht zu den Forschungsanträgen hat, stellt keine effektive Kontrollinstanz dar.“ Laut Pressemitteilung des Cyber Valley wird der Beirat nur die Möglichkeit haben, gegenüber dem Research Fund Board Empfehlungen auszusprechen, Bedenken zu äußern und sich an dessen Diskussionen zu beteiligen. Im Research Fund Board wiederum findet die eigentliche Entscheidung statt, ob ein Förderantrag bewilligt wird oder nicht. Das jedoch entscheidet lediglich nach Kriterien der Exzellenz und lässt ethische, soziale und ökologische Aspekte außen vor. Auch in Puncto Transparenz lasse der Umgang mit dem Public Advisory Board zu wünschen übrig: „Vor der Pressemitteilung war von offizieller Seite nichts über die Einrichtung des Gremiums zu hören. Das hätten wir uns bei einem Beirat, der demokratisch und ausdrücklich öffentlich sein soll, anders erwartet.“ Nur dank guter Vernetzung und Informationen von einigen wenigen Listen des Tübinger Gemeinderats konnte man im Voraus überhaupt etwas von der Einrichtung des Boards erfahren. Und nach der Pressemitteilung? „Weiterhin bleiben einige Aspekte des Beirats unklar: Wie genau wird das Gremium funktionieren? Werden die Sitzungen oder wenigstens die Protokolle öffentlich sein? Wie findet die Rückbindung der Mitglieder an die Öffentlichkeit statt? Nach welchen Kriterien befindet das Board über Anträge?“ Diese und viele weitere Fragen müssten schleunigst geklärt werden.

Leo vom Bündnis gegen das Cyber Valley fügt hinzu: „Das Public Advisory Board wird lediglich in die Projekte einbezogen, die durch den Cyber Valley Research Fund finanziert werden sollen – mit einem Volumen von 5 Mio. Euro in den kommenden vier Jahren. Dies ist nur ein winziger Teil des gesamten Ökosystems „Cyber Valley“. In die Forschung des geplanten Amazon-Entwicklungszentrums, des Bosch-Forschungszentrums, des MPIs und der erhofften Startups wird es keinerlei Einblick haben. Kritische  Forschungsvorhaben können problemlos am Gremium vorbei als Drittmittelprojekte, in Startups oder den Entwicklungszentren durchgeführt werden und trotzdem Angehörige der Uni oder des MPI einbeziehen. Hier wird Transparenz und ethische Reflexion nur simuliert, eine Kontrolle der Forschung z.B. von Amazon ist damit keineswegs gegeben.“

Unabhängig von den konkreten Kritikpunkten am Beirat selbst warnt Leo: „Die Existenz des Public Advisory Boards als Kontrollinstanz sollte uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass am Cyber Valley als Projekt insgesamt weiterhin viel Kritik angebracht ist: Sei es die enge Zusammenarbeit mit problematischen Unternehmen oder der Fokus auf schnelle wirtschaftliche Verwertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse.“

Beide Gruppen wollen weiterhin am Anliegen festhalten, das Cyber Valley und dessen Umgebung kritisch zu begleiten und sich für eine stärkere Einbeziehung der Öffentlichkeit einzusetzen. Die neu eingesetzten Mitglieder des Public Advisory Boards werden hierzu herzlich eingeladen. Das Cyber Valley hatte in einer Pressemitteilung vom 27.08.2019 die Einrichtung und Besetzung des Public Advisory Boards bekanntgegeben. Vorangegangen waren seit 2018 anhaltende Proteste u.a. des Bündnisses gegen das Cyber Valley, in denen vor allem die Nähe der Forschungskooperation zur Wirtschaft, insbesondere auch zur Rüstungsindustrie, sowie intransparente Strukturen kritisiert wurden.