Bündnis gegen das Cyber Valley
Im Frühjahr 2019 startete eine Kampagne unter dem Motto:
Etliche Tübinger Einzelhandelsgeschäfte beteiligen sich daran, indem sie Plakate in ihren Ladenflächen öffentlich sichtbar anbringen.
Der Text der Info-Flyer ist unten auf der Seite zu finden!!
Im Rahmen dieser Kampagne fanden und finden verschiedene Aktionen statt.
Zum Beispiel gab es während des Stocherkahnrennens am 20. Juni ein fliegendes Banner mit der Aufschrift „No Amazon“. Den vorbeifliegenden Gesprächsfetzen war zu entnehmen, daß viele Menschen über das Thema CyberValley und die Debatte um das Amazon Research Center informiert sind. Am Ende der Aktion kamen wir mit einigen Leuten ins Gespräch, von denen fast alle unsere Aktion und unser Engagement gegen den Bau des Amazon-Zentrums unterstützen. Auch die Luftballons, die zuvor das Banner zuverlässig getragen haben, kamen gut an: die meisten wurden an Kinder verschenkt, denen wir damit an diesem Tag noch eine große Freude machen konnten 🙂 Insgesamt eine gelungene Aktion, die allen großen Spaß gemacht hat!
In Zusammenhang mit der Forschungsinitiative Cyber Valley will Amazon auf der Oberen Viehweide in Tübingen ein Forschungszentrum für maschinelles Lernen errichten. Damit wird Amazon zu einem zentralen Akteur der Tübinger Forschungslandschaft, da die Entwicklung von selbstlernenden Algorithmen vor allem eines bedarf: Big Data. Und diese soll Amazon liefern. Das Cyber Valley ist ein Zusammenschluss von Industrie (vor allem Automobilunternehmen wie Daimler, BMW, Porsche und VW), Wissenschaft (Universität Tübingen und Stuttgart sowie Max-Planck-Institute) sowie Politik (Land Baden-Württemberg). Ziel ist es, durch die schnelle Kommerzialisierung von Forschung durch Start-Up-Unternehmen zum „Herz“ der europäischen KI-Forschung zu werden. Aber der Konzern Amazon ist kein guter Nachbar, sondern ein Hindernis für unabhängige Forschung, die die Gesellschaft weiterbringt. Doch Protest kann erfolgreich sein: In New York ist es gelungen, den Bau eines Amazon Hauptquartiers zu verhindern.
Amazons Strategie ist symptomatisch für die neue Form von komplett entgrenzten Arbeitsverhältnissen, die Plattformen wie Amazon mit sich bringen. Bei „Amazon Mechanical Turk“ werden Arbeitsaufträge global ausgeschrieben und zu den prekärsten Bedingungen vergeben. Die Arbeitnehmer*innen sind nicht fest angestellt, ohne soziale Absicherung und in direkte globale Konkurrenz um den niedrigsten Arbeitslohn gezwungen. Dies ist nur einer der Wege, wie Amazon und andere Plattformen Arbeitnehmer*innenrechte gezielt aushebeln. Trotzdem kommt es immer wieder zu Streiks, die das Unternehmen versucht, effektiv auszuhebeln. „Wenn Glatteis ist, juckt uns das weit mehr, als wenn Ver.di zum Arbeitskampf aufruft“, so Amazon-Deutschlandchef Ralf Kleber.
Amazon ist weltgrößter Anbieter sogenannter „Cloud-Dienstleistungen“ – das Unternehmen verwaltet auf seinen Servern eine Unmenge von Daten, die Unternehmen und Behörden über uns alle sammeln. Zugleich hat Amazon über Alexa in vielen Haushalten Zugriff auf private Gespräche, die protokolliert und ausgewertet werden. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Datenpannen und unerlaubten Zugriffen der deutschen Geheimdienste. US-Geheimdienste haben schon heute Zugriff auf jegliche von Amazon erhobenen Daten.
Weltweit beschäftigt Amazon Hunderte sogenannter „Amazon Scholars“: Wissenschaftler*innen, die an öffentlichen Instituten forschen, hieraus überwiegend finanziert werden und trotzdem zugleich im Dienste von Amazon stehen. Dies trifft auch auf die MPI-Direktoren Schölkopf und Black in Tübingen zu. Sie stehen auf der Gehaltsliste von Amazon, betonen gegenüber dem Gemeinderat die Unverzichtbarkeit des Konzerns für die Tübinger Forschung, sehen sich aber zugleich als unabhängige Wissenschaftler. MPI-Direktor Black hat in der Vergangenheit schon ein Start-up für einen zweistelligen Millionenbetrag an Amazon verkauft.
Auch über die Vergabe des „Amazon Research Awards“ und die Förderung von aus der Forschung unmittelbar hervorgehenden Unternehmensgründungen sorgt der Konzern für anwendungsnahe Forschung in seinem Sinne, eignet sich Forschungsergebnisse an und schafft Abhängigkeiten.
Mit dem Amazon-„Sprachassistent“ Alexa verbinden die meisten Nutzer*innen einen weiblichen Namen und eine weibliche Stimme. Stets zuhörend, freundlich und unterwürfig führt „sie“ fast alle Befehle aus. Hiermit reproduziert und stärkt Amazon ein stereotypisches Frauenbild. Selbst bei sexuellen Forderungen behält „sie“ einen freundlichen Ton. Die Unterwürfigkeit von Alexa verwundert nicht, da das Prinzip von Befehl und Ausführung der Informatik eingeschrieben ist, die bis heute ein weitgehend männlich dominiertes Arbeitsfeld ist. 60 Prozent der im Silicon Valley arbeitenden Frauen* gaben an, in ihrem Arbeitsumfeld schon sexuelle Belästigung erfahren zu haben. Auch der frühere Unterhaltungschef von Amazon Roy Price wurde wegen sexueller Belästigung suspendiert.
Seit Jahren stellt Amazon Cloud-Dienstleistungen für den US-Auslandsgeheimdienst CIA bereit; aktuell bewirbt sich das Unternehmen mit JEDI um den größten Dienstleistungsvertrag in der Geschichte des Pentagons. Hierbei sollen Methoden des maschinellen Lernens in die Datenverarbeitung des US-Militärs integriert werden. Die Gesichtserkennung „Rekognition“ verkaufte der Konzern schon an mehrere Polizei- und Grenzschutzbehörden in den USA und bietet sie auch international an. Damit können Überwachungskameras selbst größere Menschenmengen quasi in Echtzeit mit Millionen digital erfasster Gesichter abgleichen und Menschen identifizieren. Auch die deutsche Bundespolizei nutzt Amazon Web Services (AWS) zur Archivierung der Video- und Tonaufnahmen, die mit sog. Bodycams im Einsatz aufgenommen wurden.
Auf der Basis der angesammelten Datenmengen und immenser Investitionen strebt Amazon in immer weiteren Geschäftsfeldern eine Monopolstellung an. Bislang ist v.a. der Einzelhandel betroffen, der durch die optimierten und weltweiten Logistikketten, Niedriglohnpolitik und Steuervermeidung des Konzerns unter Druck gerät und verdrängt wird. Dabei muss Amazon in diesen Geschäftsbereichen nicht einmal Gewinne erzielen, sondern finanziert den Konkurrenzkampf durch seinen fast einzigen, gewinnbringenden Geschäftsbereich: Amazon Web Services.
Amazons weltweite Warentransporte, u.a. mit einer eigenen Flugzeugflotte, leisten ihren Beitrag zum desaströsen Klimawandel. Darüber hinaus stellt Amazon eine unverantwortliche Warenvernichtungsmaschine von neuwertigen bzw. noch gebrauchsfähigen Produkten dar, da reklamierte Produkte aus Preisgründen oftmals direkt vernichtet werden. Bei Nahrungsmitteln werden die Kund*innen dazu aufgefordert, diese selbst zu entsorgen, weil sich die Rücksendung preislich nicht lohnen würde.